Interview mit Univ. Prof. Dr. Doris Maria Gruber
Mag. Fischer: Warum leiden Frauen häufiger an Harnwegsinfekten als Männer? Was sind die Ursachen?
Prof. Dr. Gruber: Frauen erkranken viel öfter an Harnwegsinfekten als Männer, da sie eine kürzere Harnröhre haben, über die Keime besser in die Blase emporwandern und dort Entzündungen auslösen. Risikofaktoren für Harnwegsinfekte sind Diabetes, Bluthochdruck, Schwangerschaft und hohes Alter, aber auch nasse Badebekleidung und „Honeymoon-Zystitis“ (häufiger Geschlechtsverkehr, wie etwa in den Flitterwochen) sowie häufig wechselnde Geschlechtspartner. Sogar Schaumbäder können die Ursache eines Harnwegsinfektes sein, denn die Stoffe im Schaum irritieren eine bestimmte Schutzschicht der weiblichen Harnröhre, wodurch mit verschiedenen Keimen kontaminiertes Badewasser in die Blase eindringen kann. Ausgelöst werden die Beschwerden durch Mikroorganismen – vor allem Bakterien, aber auch Viren und Pilze, die sich oberhalb des Blasenschließmuskels ansiedeln.
Mag. Fischer: Welche Pflanzen sind geeignet, um die Blase zu stärken?
Prof. Dr. Gruber: Einer der „Stars“ unter den pflanzlichen Mitteln gegen Harnwegsinfekte ist die amerikanische Cranberry (Vaccinium macrocarpon), auch „Großfrüchtige Moosbeere“ genannt. Ihre ursprüngliche Heimat sind die Hochmoore des östlichen Nordamerikas. Die Cranberry ist zwar mit der heimischen Preiselbeere verwandt, ist aber nicht dieselbe Frucht und hat einen deutlich anderen Geschmack. Die Wirkstoffe der Cranberry, die Proanthocyanidine (PAC), blockieren die Haftfäden, mit denen sich die Bakterien an der Blasenschleimhaut festhalten. Somit verlieren die Eindringlinge den Halt, rutschen ab und werden mit dem Harn ausgeschwemmt. Studien belegen, dass besonders Frauen mit wiederkehrenden Harnwegsinfekten von einer Therapie mit Pflanzen profitieren. Die Wahrscheinlichkeit nach der Einnahme von Cranberries, erneut an einem Harnwegsinfekt zu erkranken, hat sich in diesen Untersuchungen beinahe halbiert.
Auch Kresse und Kren schützen vor Erregern von Harnwegsinfekten. Sie enthalten Senfölglykoside, mit denen sich die Pflanzen in der freien Natur gegen Schädlinge, wie etwa Raupen, wappnen. Diesen Abwehrmechanismus macht sich die Pflanzenheilkunde zu Nutzen. Wissenschaftliche Untersuchungen weisen auf eine leicht antibakterielle Wirkung der scharfen Senföle hin.1
Mag. Fischer: Helfen auch Teemischungen?
Prof. Dr. Gruber: Bei Harnwegsinfekten kommt eine beeindruckende Reihe von bewährten Pflanzen zum Einsatz. Dazu zählen Birke, Brennnessel, Schachtelhalm, Goldrute, Bärentraube, Hauhechel, Quecke, Mädesüß, Hagebutte, Süßholz, Wacholder und einige mehr, die sich gut zu einem Tee kombinieren lassen. Viel Trinken im Falle eines Harnwegsinfektes ist ein wichtiger Bestandteil der Therapie. Wenn dies bedauerlicherweise nicht hilft, müssen andere Therapien zum Einsatz kommen.
Mag. Fischer: Wie kann sich Frau vor Harnwegsinfekten schützen?
- Trinken Sie ausreichend. Mindestens zwei Liter pro Tag sind notwendig, um die Niere und die ableitenden Harnwege immer gut durchzuspülen. So können sich Bakterien weniger leicht ansammeln.
- Unterkühlung meiden. Halten Sie Unterbauch, Nieren und Füße warm. Achtung: Auch im Sommer kann es zur Unterkühlung kommen, besonders wenn nasse Badekleidung nicht rasch gewechselt wird.
- Warten Sie nicht, bis die Harnblase zu 100 % gefüllt ist. Entleeren Sie Ihre Harnblase öfter und vollständig. So sinkt die Verweildauer von Bakterien im Harn und mögliche Eindringlinge können sich nicht so gut an der Blasenschleimhaut festsetzen.
- Sexualhygiene. Empfindliche Personen sollten am besten auch nach dem Geschlechtsverkehr innerhalb von 15 Minuten die Toilette aufsuchen und urinieren. Achtung: Mit häufig wechselnden Geschlechtspartnern nimmt auch die Wahrscheinlichkeit zu, eine Blasenentzündung davonzutragen. Die Scheide ist eine „ideale“ Eintrittspforte für unerwünschte Keime!
- Achten Sie auf die richtige Reinigung nach dem Stuhlgang. Da der Großteil der Bakterien aus dem Enddarm kommt, ist es für Frauen wichtig, das Toilettenpapier von vorne nach hinten, also von Scheide zu After, zu führen und keinesfalls umgekehrt. Gegebenenfalls verwenden Sie auch in dieser Abfolge ein feuchtes Tuch für die finale Reinigung.
- Abwehrkräfte stärken. Ein funktionierendes Immunsystem wird mit Erregern leichter fertig und kann sie in Schach halten. Daher ist es wichtig auf eine Ernährung zu achten, die reich an Vitaminen und Spurenelementen ist. Wenn Harnwegsinfekte immer wieder kommen, sollte neben einer erweiterten medizinischen Diagnostik (Ultraschall, Blutabnahme, etc…) auch der Vitamin- und Spurenelemente-Status bestimmt werden. Unter Umständen liegt ein Mangel vor, der sich durch eine gezielte Nährstoffzufuhr bessern lässt.
- Die Jahre der Menopause können auch für die ableitenden Harnwege eine Belastung sein. Durch die Verschiebung des hormonellen Gleichgewichts verändert sich der pH-Wert der Scheide nachteilig und Trockenheit macht sich bemerkbar. Beide Tatsachen begünstigen die Ansiedelung von Keinem aller Art. Prävention und auch Therapie kann mit Verwendung von Phytotherapie gelingen.
Mag. Fischer: Neben Harnwegsinfekten leiden Frauen auch häufig an einer sogenannten Reizblase bzw. unerwünschtem Harnverlust bei geringer körperlicher Anstrengung (Belastungsinkontinenz). Welche Pflanzen eignen sich hier?
Prof. Dr. Gruber: In einer japanischen Studie2 konnte nachgewiesen werden, dass Frauen mit Belastungsinkontinenz von der Einnahme eines Kürbisextraktes profitieren. Bereits nach einer zweiwöchigen Anwendung ließen sich die täglichen Inkontinenzepisoden um 42 Prozent, nach sechs Wochen sogar um 68 Prozent verringern. Die Verträglichkeit war sehr gut. Ähnlich positive Ergebnisse brachte eine Studie3 über den Einsatz des Extraktes bei Nykturie (=nächtlicher Harndrang) postmenopausaler Frauen. Die Frequenz des nächtlichen Harndrangs verringerte sich signifikant. Zugleich verbesserte sich die Schlafqualität, weil es zu keinen Unterbrechungen durch den Toilettengang kam. Weiters wurde in einer rezenten doppelblinden, randomisierten, placebokontrollierten Studie4 die Wirksamkeit und Sicherheit des Kürbiskernextraktes EFLA 940® an 120 Probandinnen mit überaktiver Blase und Inkontinenz getestet.
Es kam in der Therapiegruppe nach 12 Wochen gegenüber dem Anfangszustand zu einer signifikanten Verbesserung der Symptomatik bei der Häufigkeit des Harnlassens (-27%), beim Harndrang (-31%), bei Inkontinenzproblemen (-61%) und dem nächtlichen Urinieren (-31%).
FAZIT: In der gynäkologischen Praxis hat sich der Einsatz der Phytotherapie sehr bewährt. Die Frauen nehmen pflanzliche Medikamente sehr viel lieber und damit auch konsequenter ein als eine antibiotische Therapie, somit erhöhen sich Wirksamkeit und Therapieerfolg. Notwendigerweise wird es aber auch immer wieder Situationen geben, wo man zu anderen Mitteln – vor allem zu einer Antibiotikagabe – greifen muss.
Mag. Fischer: Frau Professor Gruber, vielen Dank für das interessante Gespräch.
Prof. Dr. Gruber: Sehr gerne.
Literaturverzeichnis
1Conrad, A et al. (2013): Drug Res 63(2), S. 65–68.
2Yanagisawa E, Satoh I. Study of effectiveness of mixed processed food containing Cucurbita pepo seed extract and soybean seed extract on stress urinary incontinence in women. Jpn J Med Pharm Sci 2003; 14: 313–322.
3Sogabe H, Terado T. Open clinical study of effects of pumpkin seed extract/soybean germ extract mixture containing processed foods on nocturia. Jpn J Med Pharm Sci 2001; 46: 727–737.
4Shim B, Jeong H, Lee S, Hwang S, Moon B, Storni C. A randomized double-blind placebo-controlled clinical trial of a product containing pumpkin seed extract and soy germ extract to improve overactive bladder-related voiding dysfunction and quality of life. Journal of Functional Foods 2014; 8: 111–117.
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